Montag, 29. Juni 2009

EXORZISMUS

"Fugite partes adversae" — "Flieht ihr diabolischen Kräfte!"

Als Exorzismus (griech. exorkizein = Dämonen vertreiben) bezeichnet man in den Religionen das Austreiben eines Dämons oder Satans aus Orten, Tieren, Dingen, insbesondere aber aus Menschen durch einen Exorzisten.
Im sogenannten Rituale Romanum, einem liturgischen Buch über die Riten und Vorschriften für die Spendung der Sakramente, beschrieb Papst Paul V im Jahre 1614 die Praxis des Großen Exorzismus.
Allerdings enthielt diese erste öffentliche Kundmachung vor allem Informationen zu dem damals ohnehin längst eingebürgertem Exorzismus in Form der Taufe; dabei handelt es sich im Übrigen um einen kleinen Exorzismus.
Erst im letzten Kapitel „Wie man vom Dämon besessene exorzieren soll“ („De exorcizandis obsessis a daemonia“) kam schließlich der „Große Exorzismus“ zur Sprache. Seit 1614 wurde das Rituale Romanum noch mehrfach überarbeitet, der Aufbau des Austreibungsgebets hat sich im Grunde aber nicht verändert:

Eröffnung: Allerheiligenlitanei - Pater noster Psalm 54 - Kreuzeszeichen - Salutatio - Gebet zur Eröffnung - Gebet gegen den Teufel - Anrede an den Teufel
1.Hauptteil: Wortgottesdienst: 4 Lesungen aus dem Evangelium
2.Hauptteil: Exorzismus: Salutatio - Vorbereitungsgebet, an Christus gerichtet - Gebet: Anrufung des Namen Gottes - 1. Exorzismus -Salutatio - Gebet (um Schutz und Stärkung des Besessenen) - 2. Exorzismus - Salutatio - Gebet (unterschiedliche Inhalte: Heilige, Schöpfer) - 3. Exorzismus (wird nach Bedarf wiederholt) -Pater noster, Ave Maria (Psalmen alsmögliche zusätzliche Gebete)
Schlussteil: Gebet um Befreiung

Ein erfolgreicher Exorzismus kann lediglich ein paar Stunden dauern, in einigen schwerwiegenderen Fällen (wie es scheint, können auch Dämonen unterschiedlich beharrlich sein) aber auch bis zu 14 Jahren.
"Die Dämonen sind persönliche Wesen, weil sie Freiheit und Willen besitzen. Sie sind geistige Wesen, reine Geister, weil sie keine Seele und keinen Leib haben wie der Mensch. Darum benützen sie manchmal den Körper der Menschen."
- Pater Amorth

Schon in der Bibel ist die Sprache von Christus, der der Kirche die Autorität verlieh Satan auszutreiben.
Zuallererst vermachte Jesus den Zwölf, dann den 72 Jüngern diese Macht, um es schließlich auf alle Gläubigen auszuweiten. In seinem Namen sollten Dämonen ausgetrieben werden.
Heute allerdings darf ein Exorzismus lediglich von einem Priester durchgeführt werden, der die Erlaubnis seines Bischofs haben muss, welcher wiederum die Autorisierung des Ortsbischofs einholen muss. Von Vorteil wäre auch das Studium der Traktate über die Dämonologie und ein sündenfreies Leben.
Das heißt jedoch nicht, dass Gläubige (also Getaufte) keine Befreiungsgebete sprechen dürfen, sie benötigen dazu gütigerweise nicht einmal eine Erlaubnis des Bischofs. Sie dienen im Grunde demselben Zweck wie der Große Exorzismus, nämlich der Austreibung Satans. Da das Befreiungsgebet aber privat und nicht öffentlich im Namen der Kirche ausgesprochen wird, verliert es an Wirksamkeit.
Heutzutage werden immer noch Exorzisten ausgebildet, allein in Italien handelte es sich um ungefähr 200 Priester pro Jahr, wobei Papst Benedikt XVI vor Kurzem ankündigte 3000 neue Exorzisten ausbilden zu lassen.
Obwohl vor einem Exorzismus hinreichend Fachkräfte in Form von Ärzten oder Psychologen zu Rate gezogen werden müssen, gibt es immer noch genügend wilde Exorzismen, bei denen keine Genehmigung eingeholt wird.
Die Folgen sind oft fatal. Wie beispielsweise im Fall der 23- Jährigen Nonne Maricica Cornici, die vor einigen Jahren im Rahmen eines nicht beaufsichtigten Exorzismus an einem Kreuz hängend zu Tode kam. Und das in einer Zeit, wo für die meisten Menschen Religion in etwa so viel Stellenwert hat wie ein abgewetztes Paar Stiefel, das nur bei Unwetter hervorgeholt, aus nostalgischen Gründen aber niemals entsorgt wird.
Dieses Beispiel veranschaulicht das Bedürfnis der Menschen sich vor allem in Zeiten der Not der Religion zuzuwenden.
Oder aber auch die Schwierigkeit jedes Einzelnen mit sich selbst, den beängstigenden Kampf, den man beizeiten mit sich selbst auszutragen hat. Denn wenn man sich selbst nicht (ver)trauen kann, wem dann?
Manchmal ist es da einfacher, einen Dämon für die eigenen verhassten Gelüste, für die fremden Gefühle und inneren Konflikte, die man selbst nicht begreifen kann, verantwortlich zu machen. Auf diese Weise schafft man ein eigenständiges Wesen, kapselt es von der eigenen Person ab, lässt es sich als pure Ausgeburt des Bösen manifestieren. Diese Abspaltung erlaubt es Menschen, gegen die eigene Krankheit anzukämpfen.
Das ist eine mögliche Erklärung. Eine andere lautet, dass Satan Besitz vom Menschen ergriffen hat. Oder ein Dämon.
Welche Erklärung man nun auch bevorzugen möchte, im Grunde ist es vollkommen gleichgültig. Denn ob ein Exorzismus wirkt aus Autosuggestion oder weil Satan beschlossen hat, dass er seine selbst ernannte Festung leid hat, macht keinen wirklichen Unterschied. Solange er von Erfolg gekrönt ist.

Im Übrigen steht der Exorzismus erst an siebenter Stelle als Befreiung eines Menschen von einem dämonischen Geist.
Folgende Maßnahmen werden von der Kirche im Kampf gegen den Teufel dringend empfohlen:

* Beichte
* Heilige Messe
* Eucharistische Anbetung
* Kommunion
* Täglicher Kirchenbesuch

Ein kurzer Ausschnitt aus einem Interview mit Pater Don Gabriele Amorth, einem der bekanntesten Exorzisten der heutigen Zeit:

FACTS: Gibt es heute noch viele Besessene?

Amorth: Die Verführungen sind groß, denn der Glaube ist nicht mehr stark vertreten. In Italien gehen nur 10 Prozent der Bevölkerung in die Kirche. Die restlichen 90 Prozent sind gefährdet, irgendwelchen Magiern, Kartenlesern oder dem Satanisten-Boom zu verfallen. 37 Prozent der italienischen Jugendlichen nehmen an spiritistischen Sitzungen teil, an denen sie mit Toten zu kommunizieren versuchen. Viele hören satanischen Rock von Marilyn Manson. Das sind gefährliche Momente, in denen der Dämon Besitz vom Menschen ergreifen kann.

FACTS: Ist der Rocker Marilyn Manson vom Teufel besessen?

Amorth: Aber sicher! Und wie!

FACTS: Haben Sie ihn getroffen?

Amorth: Nein, aber ich habe seine Texte gelesen. Sie sind voller sublimer Nachrichten, wenn man sie rückwärts liest. Sie verherrlichen Satan, «Du bist mein Gott», heisst es da. Sie verherrlichen den Selbstmord und plädieren für eine Welt ohne Moral.

FACTS: Wer verführt uns noch?

Amorth: Harry Potter. Er verführt zur Magie.

FACTS: Waren Hitler und Stalin auch vom Teufel besessen?

Amorth: Sicher waren sie das. Der ganze Nationalsozialismus stand unter dem Einfluss des Teufels. Der Dämon hat Hitler suggeriert, was zu tun ist. Auch Marx war vom Teufel besessen.


Quellen:
* http://web246m.dynamic-kunden.ch/maria/besessenheit.html
* Heike R., Von der Besessenheit zum Glauben, Books on demand 2009
* Amorth, Gabriele, Exorzisten und Psychiater, übersetzt von Ortner, Reinhold und Maria, Stein am Rhein: Christiana- Verlag 2002


Die Dopplung des Vaters in „The Father-Thing“

Während der Diskussionsrunde über Einverleibung, Besessenheit und Kannibalismus in Philip K. Dicks Werken kam die Frage auf, warum es in der Kurzgeschichte „The Father-Thing“ zu einer Dopplung des Vaters kommt. Warum wird der Körper des Vaters kopiert und die Eingeweide vom "Father-Thing" einverleibt. Logischer wäre doch, die "Hülle" des Vaters zu übernehmen und ihn so zu ersetzen. Eine mögliche Erklärung wäre der von Rita schon kurz erwähnte Ödipuskonflikt, der in dieser Geschichte steckt.

Allgemein haben wir festgestellt, dass die Kurzgeschichte sehr glatt wirkt, eher wie ein Spiel der Kinder. Ihnen werden einzelne Aufgaben gestellt, die sie lösen müssen. So versuchen sie zum Beispiel das Wesen zu finden, das das Father-Thing kontrolliert. Dabei können sie ungestört den Rasen systematisch absuchen.
Auffällig ist auch, dass nur Kinder in die Ereignisse eingeweiht sind. Charles ist hier erst ein achtjähriger Junge, Bobby Daniels wird auf neun geschätzt und auch Tony Peretti scheint noch nicht volljährig zu sein. Zwar ist er wohl älter als die anderen beiden Jungen, da er wohl alt und stark genug sein muss, um jedes Kind in der Nachbarschaft schon verprügelt zu haben.
"A couple of times he had beaten up Charles; he had beaten up every kid in the neighborhood." i.

Dennoch scheint er jung genug zu sein, um vom Father-Thing für ein Kind gehalten zu werden, das eine Waffe als Spielzeug ansieht und das Bestrafung von seinem Vater zu erwarten hat.

"Put down that toy and get out of here. (...) No b.b. guns allowed in town, sonny. Your father know you have that?" ii.

Diese Geschichte wirkt daher eher wie eine Art Detektivroman für kleine Kinder, die sich keinem hohen Risiko aussetzten und nie in wirklich gefährliche Situationen kommen. Warum hat das Father-Thing eigentlich nicht gewartet, bis die anderen Larven auch geschlüpft sind? Seine Chancen gegen die drei Kinder wären damit enorm gestiegen und es hätte wohl nicht so "leicht" vernichtet werden können. Dieser Aspekt könnte dafür sprechen, dass es sich hier eher um eine kindliche Phantasievorstellung oder eine Art Märchen handelt.

Besonders Märchen sind im Zusammenhang mit dem ödipalen Konflikt sehr interessant. Wie Bruno Bettelheim in seinem Buch "Kinder brauchen Märchen" veranschaulicht, überwinden Kinder diese Krise meist, indem sie in Geschichten diese Phantasien ausleben.

Doch zunächst ein Zitat von Bettelheim, das den ödipalen Konflikt einmal genau beschreibt:

"In den Verwicklungen der ödipalen Krise grollt der Junge dem Vater, weil er ihm die ausschließliche Zuwendung der Mutter streitig macht. Der Junge will, die Mutter solle ihn als den größten Helden bewundern; dies bedeutet, daß er den Vater irgendwie aus dem Weg schaffen muß. Allerdings ist diese Vorstellung beängstigend; denn was würde mit der Familie geschehen, wenn der Vater nicht mehr da wäre, um sie zu beschützen und zu versorgen? Und wenn der Vater jemals merken würde, daß sein kleiner Junge ihn beseitigen möchte - würde er sich dann nicht furchtbar rächen?" iii.

Im Märchen übernimmt laut Bettelheim der Vater die Rolle des bösen Widersachers (z.B. in Form eines Drachen) und kann so ohne schlechtes Gewissen von dem Kind, das sich natürlich mit dem Helden identifiziert, umgebracht werden. Übersetzt auf die Kurzgeschichte bedeutet das, dass Charles hier seinen Vater durch ein unmenschliches außerirdisches Wesen ersetzt, das als böse angesehen wird und deswegen vernichtet werden muss (ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu empfinden).

Eine andere Form diese ödipale Phantasie auszuleben ist laut Bettelheim die Ablösung des ursprünglich "guten" Vaters durch einen bösen Stiefvater. (Obwohl diese Ablösung im Märchen meistens in der Rolle der Mutter bzw. Stiefmutter auftaucht.) In Dicks Geschichte findet sich auch dieses Motiv wieder: Das Father-Thing versucht wie ein Stiefvater die Rolle des Vaters im Familienalltag zu übernehmen. Diese Ablösung findet laut Bettelheim deswegen statt, damit das Kind den Vater offen hassen kann, ohne dafür mit Bestrafung rechnen zu müssen. Auch muss es hier die Bewunderung die das Kind für den Vater empfindet nicht aufgeben und der "gute"/ "richtige" Vater kann weiterhin als Vorbild fungieren.

Es ließe sich also die These aufstellen, dass es deswegen zu einer Doppelung des Vaters kommt, damit Charles seine ödipalen Phantasien ohne schlechtes Gewissen ausleben kann. Die Dopplung führt also einerseits zu Aufspaltung in einen "guten" und einen "schlechten" Vater und gibt dem Kind die Legitimation dem Wunsch nachzugehen seinen Vater zu töten. Andererseits wird der Vater auch durch einen nicht menschlichen wohl außerirdischen „Bösewicht“ ersetzt (im Märchen wäre das zum Beispiel ein Drache), wodurch das Kind ohne schlechtes Gewissen den „Vaterersatz“ hassen kann.

Quellen:
i. Dick, Philip K., „The Father-Thing“, The Philip K. Dick Reader, US: Citadel Twilight 2005, S. 104.
ii. ebd. S. 108.
iii. Bettelheim, Bruno, Kinder brauchen Märchen, München 2008, S. 129

Philip K. Dicks „Colony“. Besessenheit und „lebende“ Objekte

Da die Einzeller auf diesem Planeten die Haushaltsgegenstände kopieren bzw. nachahmen besetzen sie die Plätze der „Originale“, aber es kommt nicht zu einer Besessenheit in dem Sinne, dass hier Besitz von einem Körper ergriffen wird oder das eine Übernahme der Körper statt findet. Die organische Lebensform übernimmt hier nur den äußeren Anschein von Alltagsgegenständen und lässt sie „lebendig“ werden, um die Menschen anzugreifen. Während die Alltagsgegenstände selbst noch immer unschuldig und unbeteiligt daneben liegen.

Zu Beginn der Geschichte gehen deswegen die Menschen davon aus, dass die seelenlosen Objekte plötzlich lebendig werden.
„Ordinary objects suddenly turned lethal.“ i.
Dieses Motiv der Beseelung von Gegenständen ist keinesfalls von Dick neu geschaffen, sondern schon aus Werken anderer Autoren bekannt. Sigmund Freud, der ja viele seine Theorien durch literarische Werke untermauert oder von ihm beobachtete Phänomene nach literarischen Vorlagen benennt, hat sich in seinem 1919 veröffentlichten Aussatz „Das Unheimliche“ mit dieser Verlebenigung von Alltagsgegenständen beschäftigt.

Freud und die psychoanalytische Literaturinterpretation

Doch zuvor noch eine Anmerkung zu Freuds literarischem Interesse. 1907 hielt Freud einen Vortrag unter dem Titel „Der Dichter und das Phantasieren“ ii. in den Räumen des Wiener Verlagsbuchhändlers Hugo Heller. In diesem Vortag beschreibt er das Phantasieren des Dichters (also den schöpferischen Akt des Geschichtenerzählens) als eine Ersatzhandlung für den Lustgewinn, den Kindern beim Spielen erfahren. Erwachsene phantasieren, denken sich Geschichten aus und verlieren sich laut Freud in Tagträume, da sie nicht mehr wie Kinder spielen dürfen. Kinder haben demnach die Möglichkeit ihre Wünsche (z.b. den Wunsch des Erwachsenwerdens) frei im Spiel auszuleben. Die Wirklichkeit und das Spiel sind selbst hier für die Kinder klar getrennt, obwohl es sehr Affektbeladen ist und dadurch von den Kindern ernst genommen wird.

Der Erwachsene schämt sich des Phantasierens, weil es als kindisch und unerlaubt bewertet wird und weiß, dass von ihm erwartet wird in der wirklichen Welt zu handeln. Was den Dichter nun von den anderen Erwachsenen unterscheidet ist, dass er seine Phantasien so formulieren kann, dass sie als nicht peinlich wahrgenommen werden. Durch Verhüllung und Abänderung wird der Charakter des egoistischen Tagtraumes abgemildert und bringt dem Leser einen ästhetischen Lustgewinn.

Die psychoanalytische Literaturinterpretation geht aber keinesfalls davon aus, dass der Autor sein psychologisches Wissen bewusst in seine Texte einarbeitet. Vielmehr geht man davon aus, dass der Autor intuitiv bzw. unbewusst Beispiele für psychoanalytische Phänomene liefert, indem das Unbewusste des Autors das Unbewusste des Helden verstehen und nachvollziehen kann.

Das Unheimliche in „Colony“

In Freuds Aufsatz „Das Unheimliche“ beschäftigt er sich mit mehreren Phänomenen die als unheimlich bezeichnet werden können, für unsere Untersuchung interessant ist aber nur die Beseelung von Gegenständen. Doch bevor Freud auf einzelne Aspekte des Unheimlichen eingeht, stellt er seiner Arbeit eine ungewöhnlich lange Begriffsdiskussion des Wortes „unheimlich“ voran. Einer der Definitionsvorschläge Freuds ist:
"Das Unheimliche ist (...) also auch (...) das ehemals Heimische, Altvertraute. Die Vorsilbe 'un' an diesem Wort ist aber die Marke der Verdrängung." iii.
Das Unheimliche ist demnach also etwas allen Menschen vertrautes, das aber vom Bewusstsein des Menschen verdrängt wird, und durch die Konfrontation mit dem Verdrängten eine beängstigende Form annimmt.
Der Aspekt des Unheimlichen, der uns hier interessiert, wird von Freud als
"Zweifel (...) ob ein Gegenstand nicht etwa beseelt sei." iv.
beschrieben. Aus der oben genannten Definition folgt also, dass die Verlebendigung von eigentlich leblosen Gegenständen etwas Vertrautes, Heimisches sein müsste. Und wirklich ist diese Situation aus dem Kindesalter bekannt. Gegenstände zu beleben ist klarer Bestandteil vieler Kinderspiele. Puppen und Kuscheltiere können in diesen Spielen klar reden und werden als lebende Objekte verstanden.

Im Erwachsenenalter werden diese Spiele aber als kindisch abgestempelt und damit verdrängt. Trifft man nun wieder auf diese ehemals vertrauten, heimischen „lebenden Gegenstände“, werden sie unheimlich.

In „Colony“ sind aber die Gegenstände nicht nur deswegen Angst einflößend, weil sie lebendig werden, sondern weil sie zusätzlich noch versuchen die Menschen umzubringen, was ihnen ja auch am Ende der Kurzgeschichte gelingt.

Besessenheit und Besetzung

Auffällig ist der Zeitpunkt, ab dem die „feindliche“ Lebensform des Planeten die Menschen angreift. Kurz bevor beschlossen wird, mit der Umsiedlung auf dem Planeten anzufangen, kommt es erst zu den Angriffen. Gleich zu Beginn bemerkt Lieutenant Friendly:
"Three weeks on this planet and we've yet to find a harmful life form." v.

Doch was könnte der Auslöser gewesen sein?

Um diese Frage zu klären, muss man sich klar machen, über was die beiden Männer sich in dieser Szene unterhalten. Hauptthema der Unterhaltung sind natürlich die „Picnickers“, die bald auf diesem Planeten erwartet werden und wie sie wohl mit dem Planeten umgehen werden.
"Yes, the picnickers (...) And all of them ready to come in and cut down the trees, tear up the flowers, spit in the lakes, burn up the grass." vi.

Man kann also die These aufstellen, dass die Lebensform wohl auf die bevorstehende Kolonialisierung und die damit einhergehende Zerstörung des Planeten reagiert. Ist es also möglich, dass diese Einzeller ganz friedlich neben den Menschen weiter existiert hätten und es nie zu einem Angriff gekommen wäre, wenn nicht die Besetzung und Vernichtung des Planeten hätte verhindert werden müssen?

Wenn das der Fall ist, müsste man also eher davon ausgehen, dass nicht die Alltagsgegenstände unter einer Form von Besessenheit leiden, sondern die Menschen davon besessen sind, diesen Planeten zu besitzen.


Quellen:

i. Dick, Philip K., Colony, New York: Citadell Press 1987. S. 351
ii.
Freud, Sigmund, "Der Dichter und das Phantasieren" in: Klaus Wagenbach (Hg): Sigmund Freud. Das Unheimliche. Aufsätze zur Literatur. Hamburg. 1963. S.169 - 179
iii.
Freud, Sigmund, "Das Unheimliche" in: Klaus Wagenbach (Hg): Sigmund Freud. Das Unheimliche. Aufsätze zur Literatur. Hamburg. 1963. S.70
iv.
ebd.
S.53
v.
Dick, Colony, S.347
vi.
ebd. S.348


Sonntag, 28. Juni 2009

Besessenheit in Philip K. Dick Kurzgeschichten (2)

Besessenheit in Vater- Ding und Hochstapler : Ein kurzer Vergleich

Das Vater- Ding tötet das Original und übernimmt das Leben der Person, deren Aussehen es angenommen hat. Der Unterschied ist allerdings, dass beim Vater- Ding die Täuschung nicht perfekt abläuft, sodass der Sohn feststellen kann, dass das Ding nicht sein Vater ist, während sie bei Olham so perfekt ist, sodass man nur durch einen Informanten von Olhams Austausch überhaupt erfahren hat. Seine Frau und Nelson konnte er perfekt täuschen. Charles passiert dies nicht mit seinem Vater. Zudem weiß das Vater- Ding, dass es nicht der Vater des Jungen – geschweige denn ein Mensch - ist und er nur eine Rolle spielt, während der Roboter Olham nicht einmal weiß, dass er ein Roboter ist bez. die Kopie eines Menschen und somit Mary, Nelson und dem Rest seines Umfelds lediglich etwas vorspielt. Er glaubt seinem eigenen Schauspiel, weil er nicht weiß, dass er schauspielert.

Des Weiteren musste der Olham – Roboter lediglich den Original Olham töten und keinerlei Daten oder ähnliches übernehmen. Das einzige, das er übernimmt, ist sein Platz im Leben.
Zudem hat das Vater- Ding einen konkreten Plan, den es aktiv umsetzt. Olham ist darauf angewiesen, dass irgendwer die Worte sagt, die die Bombe in ihm aktivieren und weiß es nicht einmal. Sein einziger vorhandener Plan war, den echten Olham auszuschalten und seinen Platz zu übernehmen. Er ist nur eine weitere Waffe in einem Krieg und weiß dabei nicht einmal wirklich, auf wessen Seite er eigentlich steht. Er ist kein Außerirdischer und kein Mensch, sondern etwas, was Außerirdische geschaffen haben. Im Vergleich dazu ist das Vater- Ding sozusagen der Urvater einer Population und arbeitet aktiv daran, seine Art zu vermehren, indem er die Kokons herstellt, in der seine Artgenossen heranwachsen und ihnen hilft, sich die Innereien der Originale einzuverleiben, die sie später ersetzen sollen.

Besessenheit in „Hochstapler“

Auf das Thema Besessenheit gemünzt kann man eine andere Perspektive zu diesem Thema lesen: Die derjenigen, die festgestellt haben, dass Olham nicht der Original - Olham ist, auch wenn er im perfekt gleicht. Zudem zeigt sich hier wieder, wie sehr eine starke Emotion ausreicht, um fixiert auf ein einziges Thema zu sein. In diesem Fall ist es Angst, wobei bei Nelson auch Wut dazu gerechnet werden müsste, da sich somit seine Forderung, Olham sofort zu töten zusätzlich gut erklären lässt:
Einerseits möchte er somit die Aktivierung der Bombe verhindern, andererseits rächt er seinen langjährigen Freund. Dass ihn das alles emotional berührt zeigt sich, als Olham versucht ihn mit Anekdoten aus ihrer Collegezeit zu überzeugen, er sei der echte Olham. i.

Olhams Dilemma in dieser Geschichte lässt sich u.a. so zusammenfassen:
„Der Roboter“, sagte Peters, „würde nicht wissen, dass er nicht der echte Olham ist.“ ii.
Olham glaubt, dass er Recht hat, aber das bringt ihm nicht viel, denn beweisen kann er damit nichts.

Die Besessenheit in dieser Geschichte entsteht aus der Notwendigkeit. Wenn sie sich zu viel Zeit lassen, könnte Olham – falls er denn ein Roboter ist – explodieren. Wenn sie selber Überleben wollen, müssen sie jemand anderes töten. Dass durch diese Situation die Emotionen reduziert werden, wird auch explizit im Text erwähnt. So stellt Olham fest:
„Sie konnten nur an die Gefahr denken. Gefahr, sonst nichts.“ iii.
Der Grund dafür findet sich etwas früher im Text. Olham stellt fest, dass er seinen Mitmenschen im Grunde keinen Vorwurf machen kann. Die Gefahr war eine, auf die unmittelbar reagiert werden musste – selbst, wenn nicht sicher war, ob sie überhaupt existierte.
„In einer anderen Zeit, in der es keinen Krieg gab, würden die Menschen sich vielleicht anders verhalten und ein Individuum nicht in den Tod treiben, nur weil sie Angst hatten. Alle hatten Angst, aus Angst waren alle bereit, das Individuum der Gruppe zu opfern.“ iv.
„Blinder als Blind ist der Ängstliche“ v., schrieb Max Frisch und beschreibt damit auch teils das, was Besessenheit ausmacht: Man nimmt das Umfeld nur noch eingeschränkt war. Alles, was man sieht läuft durch einen Filter, der in diesem Fall ein bestimmtes Gefühl ist.

Alles, was durch diesen „Angstfilter“ läuft wird auf seine Gefährlichkeit untersucht. Was nicht gefährlich ist, wird nicht weiter beachtet, was allerdings potenziell töten könnte, wird besonders beachtet und die Sicht wird eingeschränkt, sodass alle Kräfte und Gedanken nur noch auf die vermeidliche Gefahr fixiert sind und nichts anderes mehr zählt.
Olhams Vermutung
„Er konnte ihre Hysterie, ihren Wahnsinn überwinden, mit Fakten.“ vi.
ist somit nicht zutreffend, da insbesondere krankhafte Angst logischen Argumenten keinen Platz lässt und sie nicht akzeptiert.

Ebenfalls auffällig ist, dass Olham nicht derjenige ist, der seine Persönlichkeit verliert. Diejenigen, die sich komplett verändern, sind sein Umfeld, was an Nelson deutlich wird, als auch an Mary. Sie glaubt sofort, dass ihr Mann ein Roboter ist und verrät ihn, anstatt sich solange auf seine Seite zu schlagen, bis es einen Beweis dafür gibt, dass Olham nicht derjenige ist, den sie geheiratet hat. Nelson wiederum, wie schon deutlich wurde, ist auch darauf aus, Rache zu üben, obwohl auch er keinen Beweis für die Thesen Peters hat.

Der symptomatische Kontrollverlust ist unterschiedlich festzustellen. Olham verliert die Kontrolle über sein Leben, versucht allerdings diese stets wiederzuerlangen. Somit ist es sehr ironisch, dass, kaum, dass er scheinbar bewiesen hat, dass er ein Mensch ist, feststellen muss, dass dem doch nicht so ist und genau das eintritt, wovor alle Angst hatten außer ihm – die Bombe explodiert.

Sein Umfeld, beispielsweise Nelson, verlieren eher die Möglichkeit aus dem Blick, dass Olham doch ein Mensch sein könnte. Die Tatsache, dass es keinen Beweis dafür oder dagegen gibt, lässt sie darauf schließen, dass man vorsorglich davon ausgehen sollte, dass er eben kein Mensch ist. Von da an dreht sich für Nelson alles darum die Bombe zu entschärfen und insbesondere seinen Freund zu rächen.

Die symptomatische Wiederholung von Mimik, Gestik und bestimmten Phrasen findet sich bedingt. So wird von Peters und Nelson immer gesagt, dass Olham kein Mensch ist und sie ihn deswegen töten werden, während Olham immer betont, dass er eben doch einer ist. Bei Letzterem lässt sich dennoch eine Flexibilität der Gedanken feststellen, was daran auszumachen ist, dass er nicht nur zu ergründen versucht, wie er beweisen kann, dass er ein Mensch ist, als auch, warum Nelson, Peters und seine Frau so kopflos handeln. Da die Geschichte allerdings nur aus seiner Perspektive erzählt wird, lässt sich nicht genau sagen, ob das nicht auch für die anderen Charaktere der Geschichte gilt.

Wiederholungen finden sich bei Nelson und Peters ebenfalls. Während Nelson darauf pocht, Olham sofort zu töten, möchte Peters warten, was durch Wiederholungen der Verben „töten“ und „warten“ deutlich wird, die nicht durch Synonyme ersetzt werden. Zudem redet Nelson in auffallend kurzen und knappen Sätzen, was allerdings auch lediglich ein Charaktermerkmal darstellen kann.

Man könnte auch anführen, dass Olham besessen von dem Gedanken ist, ein Mensch zu sein. Der Zwang, dies beweisen zu müssen bestimmt den Grundton der Geschichte. Olham muss beweisen, dass er ein Mensch ist, weil er darauf programmiert wurde, zu glauben, dass dem so ist, was wiederum ein Kriterium für Besessenheit wäre. Allerdings ist die Fremdsteuerung durch die Außerirdischen unmittelbar und wird somit von Olham nicht wahrgenommen wodurch er diese Fremdsteuerung auch nicht als Belastung empfinden kann.



Quellen:
i. Dick, Philip K., „Hochstapler“, ein unmöglicher Planet, München: Heyne 2002, S. 258
ii. ebd. S. 259
iii. ebd. S. 264
iv. ebd .S. 261
v. Frisch, Max, Biedermann und die Brandstifter, Frankfurt am Main: Edition Suhrkamp 1963, S. 32
vi. , Philip K., „Hochstapler“, ein unmöglicher Planet, München: Heyne 2002, S. 264

Besessenheit in weiteren Kurzgeschichten Philip K. Dicks (1)

Warum diese Kurzgeschichten?

Die erste Kurzgeschichte „Foster, du bist tot“ habe ich ausgewählt, da sie, für mich, klar zeigt, dass Besessenheit bez. Anzeichen von dämonischer Besessenheit im übertragenen Sinne auch in einer modernen Welt, wie der des Si-Fi zu finden sind. Zwar handelt es sich bei dieser Geschichte dabei sehr um Institutionen und gesellschaftliche Normen, doch bleibt die Wirkung auf den Besessenen durchaus dieselbe.

„Menschlich ist…“ hingegen steht deutlich in dem Motiv der Besessenheit, wobei es von dem üblichen Schema F einer Besessenheitsgeschichte deutlich abweicht und dabei die Motive des „bösen Geists“ näher beleuchtet womit dieser erstaunlich menschlich wirkt. Da es somit an „Und Jenseits…das Wobb“ erinnert, aber in dieser Hinsucht wesentlich deutlicher wird, habe ich sie dazu genommen.

Foster, du bist tot

Dass sich Besessenheit bei dieser Kurzgeschichte finden lässt, führe ich auch auf die näheren sozialen Umstände Mikes zurück. Er wünscht sich einen Bunker, damit er – wie die anderen Kinder – einen sicheren Ort hat. Zudem scheint die ganze Werbung darauf getrimmt zu sein, den Leuten zu vermitteln, dass sie ständig bedroht sind und deshalb ständig für ihre Sicherheit sorgen müssen. Das wird unter anderem deutlich, wenn Bob Foster über die Werbemaschen redet:
„Sie haben immer gesagt, man verkauft etwas, wenn man Angst in den Menschen weckt. (…) Wenn du nicht kaufst, werden sie dich töten. Die perfekte Verkaufsmasche. Erwerben oder sterben – neuer Slogan.“ i.
Mike als Kind kann sich kaum gegen diese Werbemaschen wehren und lässt sich von der Kriegshysterie schnell anstecken.

Er ist ein Außenseiter. Sein Vater ist ein Anti - B und hat nicht mal die NATS unterstützt. Sie haben keinen Bunker und zahlen auch nicht dafür, dass Foster den Schulbunker benützen dürfte, falls ein Krieg beginnen sollte und sich der Junge zu dem Zeitpunkt in der Schule befindet.

Somit läuft das wohl natürliche Bedürfnis, dazuzugehören bei Mikes Angst mit der Angst zu Sterben zusammen.

Letztlich ist er so besessen von dem Gedanken, einen Bunker besitzen zu müssen, dass er nicht nur sagt, dass er jede Nacht im Bunker schlafen würde, wenn sie einen hätten, sondern es letztlich auch tut, als Bob Foster dem Wunsch nach dem Bunker letztlich doch nachkommt. Er wird aufgenommen in die Schulgemeinschaft, hat plötzlich Selbstvertrauen, lädt Klassenkameraden zu sich ein und genießt das Wohlwollen seiner Lehrerin, die treffend feststellt:
„Jetzt bist du ein Pro - B, nur dass es so einen Ausdruck nicht gibt. Du bist einfach – so wie alle anderen.“ ii.
Der tiefe Fall kommt, als der Bunker verkauft wird und Mike das feststellt. Seine Reaktion, nämlich den Bunker im Geschäft aufzusuchen und diesen nicht mehr verlassen zu wollen, sodass er aus dem Laden getragen wird, veranlasst einen der Verkäufer zu der Bemerkung, dass mit dem Jungen was nicht stimmt. iii.

Als er schließlich aus dem Laden vertrieben wird und er einsehen muss, dass sein Wunsch nach Sicherheit nicht gestillt werden kann ist er
(…)geistesabwesend, sein Kopf leer und tot.“ iv.
Weiter heißt es:
„Er ging willenlos, ohne Bewusstsein oder Gefühl.“ v.
War er noch eben erfüllt von verschiedenen Emotionen – allen voran Angst, da er ja keine Bunker mehr hat in den er sich verkriechen kann, scheint er nun völlig leer zu sein. Als sei er exorziert worden, ist der Zustand der Besessenheit, der Zustand voller Angst, vorbei. Dadurch, dass sein Sicherheitsbedürfnis endgültig zerschmettert wurde, wurde er quasi „erlöst“, auch wenn er das so nicht wahrnimmt.

Wie im Thesenblatt schon festgestellt, kann die Beseelung eines sehr starken Gefühls schon von Außenstehenden als Art von Besessenheit angesehen werden.

Mike ist besessen von seiner Angst. Diese sorgt dafür, dass er nur die Gefahr sieht, in der er schweben könnte und sein einziges Ziel ist es, sich selbst zu schützen. Der Zustand der Angst und das Verlangen nach Sicherheit in Form des Bunkers sind unbewusst selbst gewählt (unbewusst, da Kinder nicht sonderlich viel über sich selbst und ihre Handlungen reflektieren können/wollen) und er empfindet ihn nicht als Belastung.

Eine Belastung ist es für ihn, dass sein Bedürfnis nach Sicherheit nicht gestillt wird und nicht, dass es überhaupt existiert. Die Fremdsteuerung, die viele Besessene erleben, erfolgt bei Mike durch die Werbung und sein soziales Umfeld. Beides prägt ihn und nur darauf hört er. Die durchaus logischen Einwände seines Vaters gegen einen Bunker finden bei ihm kein Gehör. Seine Erklärung, warum der Bunker später weg ist, wird von ihm teilnahmslos hingenommen und scheinbar nicht weiter beachtet. Es erfolgt keine Einsicht, kein Verständnis, kein Aufgeben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die ganze Werbeindustrie als auch das soziale Umfeld in ihrer Kombination nichts andere als eine Art Besessenheit oder auch Sucht (wobei das eine mit dem anderen gerne Hand in Hand geht) zulassen. Gerade Mike als Kind kann sich kaum dagegen wehren. Wenn er dazugehören möchte, muss er einen Bunker haben. Da er keinen hat, beschäftigt er sich so sehr mit diesem in Gedanken, dass für nichts anderes mehr Platz ist.

Menschlich ist…

Viel deutlicher wird die Besessenheit in der Kurzgeschichte „menschlich ist…“ in der allerdings der Zustand der Besessenheit durch die Inkorporation Lesters nicht negativ dargestellt wird.

Lester wird bei einem Besuch des Planeten Rexor IV innerlich quasi ausgetauscht.
„Die psychischen Originalinhalte werden entfernt und gelagert – eine Art einstweilige Außerkraftsetzung. Im gleichen Augenblick werden die Ersatzinhalte eingefügt.“ vi.
Doch anstatt des Feindes, der die Inkorporation ausnutzt, um kriegerische Vorteile zu erlangen, geschieht dies in dieser Kurzgeschichte aus purer Not. Die Bewohner wollen von dem Planeten fliehen, dürfen aber nicht. Diese Art der Besitznahme eines anderen Körpers ist ihre einzige Chance auf ein besseres Leben und der Zusammenhalt der Rexorianer scheint dabei nicht zu existieren.

Anstatt Jill zu raten Rexor IV zu besuchen, damit sie dort vielleicht ebenfalls einen Artgenossen in sich aufnehmen kann, rät er ihr strikt davon ab. Er handelt in seinem eigenen Interesse, kreiert neue Gerichte, spielt mit Gus, umwirbt Jill etc.

Er ist keine Bedrohung und wird selbst von Frank eher wie ein lästiges Insekt behandelt, denn als Start einer Invasion. So wird später davon geredet, dass die Rexorianer „auswandern“ wollen. vii.

Dies und die Angabe, dass die Rexorianer eh nicht mehr weit verbreitet sind lassen auf eine vollkommen andere Grundsituation schließen. Die Rexorianer sind quasi Insekten, die nur erwischt werden müssen. Sie sind den Menschen zahlenmäßig unterlegen und stellen somit anscheinend absolut keine Bedrohung für sie da.

Ein weiterer Beleg für die tatsächliche Besessenheit durch eine Art Geist ist auch im Text zu finden. So erklärt Frank Jill:
„Lester ist nichts ahnend dort eingetroffen - und dieses Ding hat ihn verdrängt und seinen Körper übernommen.“ viii.
Der einzige Unterschied ist, dass es sich bei dem neuen Lester um keinen bösen Geist oder Dämon handelt sondern um ein fremdartiges Wesen, das lediglich ein besseres Leben für sich wollte.

Da der Original - Lester eh nicht beliebt bei Jill war ist es vielleicht auch am ehesten zu verstehen, dass sie die Veränderung als solche belassen will und dafür sorgt, dass der besessene Lester mit ihr zurück nach Hause darf. Somit wird auch der typische Besessenheits- Plot, wie er beispielsweise in „The Father - Thing“ zu finden ist, umgangen.


Quellen:
i. Dick, Philipp K., "Foster, du bist tot". Ein unmöglicher Planet, München: Heyne 62002 S. 331
ii. ebd. S. 329
iii. ebd. S. 337
iv. ebd. S. 338
v. ebd. S. 338
vi. Dick, Philip K, „Menschlich ist…“. Ein unmöglicher Planet, München: Heyne 62002 S. 231
vii. ebd. S. 233
viii. ebd. S. 234