Sonntag, 28. Juni 2009

Besessenheit in Philip K. Dick Kurzgeschichten (2)

Besessenheit in Vater- Ding und Hochstapler : Ein kurzer Vergleich

Das Vater- Ding tötet das Original und übernimmt das Leben der Person, deren Aussehen es angenommen hat. Der Unterschied ist allerdings, dass beim Vater- Ding die Täuschung nicht perfekt abläuft, sodass der Sohn feststellen kann, dass das Ding nicht sein Vater ist, während sie bei Olham so perfekt ist, sodass man nur durch einen Informanten von Olhams Austausch überhaupt erfahren hat. Seine Frau und Nelson konnte er perfekt täuschen. Charles passiert dies nicht mit seinem Vater. Zudem weiß das Vater- Ding, dass es nicht der Vater des Jungen – geschweige denn ein Mensch - ist und er nur eine Rolle spielt, während der Roboter Olham nicht einmal weiß, dass er ein Roboter ist bez. die Kopie eines Menschen und somit Mary, Nelson und dem Rest seines Umfelds lediglich etwas vorspielt. Er glaubt seinem eigenen Schauspiel, weil er nicht weiß, dass er schauspielert.

Des Weiteren musste der Olham – Roboter lediglich den Original Olham töten und keinerlei Daten oder ähnliches übernehmen. Das einzige, das er übernimmt, ist sein Platz im Leben.
Zudem hat das Vater- Ding einen konkreten Plan, den es aktiv umsetzt. Olham ist darauf angewiesen, dass irgendwer die Worte sagt, die die Bombe in ihm aktivieren und weiß es nicht einmal. Sein einziger vorhandener Plan war, den echten Olham auszuschalten und seinen Platz zu übernehmen. Er ist nur eine weitere Waffe in einem Krieg und weiß dabei nicht einmal wirklich, auf wessen Seite er eigentlich steht. Er ist kein Außerirdischer und kein Mensch, sondern etwas, was Außerirdische geschaffen haben. Im Vergleich dazu ist das Vater- Ding sozusagen der Urvater einer Population und arbeitet aktiv daran, seine Art zu vermehren, indem er die Kokons herstellt, in der seine Artgenossen heranwachsen und ihnen hilft, sich die Innereien der Originale einzuverleiben, die sie später ersetzen sollen.

Besessenheit in „Hochstapler“

Auf das Thema Besessenheit gemünzt kann man eine andere Perspektive zu diesem Thema lesen: Die derjenigen, die festgestellt haben, dass Olham nicht der Original - Olham ist, auch wenn er im perfekt gleicht. Zudem zeigt sich hier wieder, wie sehr eine starke Emotion ausreicht, um fixiert auf ein einziges Thema zu sein. In diesem Fall ist es Angst, wobei bei Nelson auch Wut dazu gerechnet werden müsste, da sich somit seine Forderung, Olham sofort zu töten zusätzlich gut erklären lässt:
Einerseits möchte er somit die Aktivierung der Bombe verhindern, andererseits rächt er seinen langjährigen Freund. Dass ihn das alles emotional berührt zeigt sich, als Olham versucht ihn mit Anekdoten aus ihrer Collegezeit zu überzeugen, er sei der echte Olham. i.

Olhams Dilemma in dieser Geschichte lässt sich u.a. so zusammenfassen:
„Der Roboter“, sagte Peters, „würde nicht wissen, dass er nicht der echte Olham ist.“ ii.
Olham glaubt, dass er Recht hat, aber das bringt ihm nicht viel, denn beweisen kann er damit nichts.

Die Besessenheit in dieser Geschichte entsteht aus der Notwendigkeit. Wenn sie sich zu viel Zeit lassen, könnte Olham – falls er denn ein Roboter ist – explodieren. Wenn sie selber Überleben wollen, müssen sie jemand anderes töten. Dass durch diese Situation die Emotionen reduziert werden, wird auch explizit im Text erwähnt. So stellt Olham fest:
„Sie konnten nur an die Gefahr denken. Gefahr, sonst nichts.“ iii.
Der Grund dafür findet sich etwas früher im Text. Olham stellt fest, dass er seinen Mitmenschen im Grunde keinen Vorwurf machen kann. Die Gefahr war eine, auf die unmittelbar reagiert werden musste – selbst, wenn nicht sicher war, ob sie überhaupt existierte.
„In einer anderen Zeit, in der es keinen Krieg gab, würden die Menschen sich vielleicht anders verhalten und ein Individuum nicht in den Tod treiben, nur weil sie Angst hatten. Alle hatten Angst, aus Angst waren alle bereit, das Individuum der Gruppe zu opfern.“ iv.
„Blinder als Blind ist der Ängstliche“ v., schrieb Max Frisch und beschreibt damit auch teils das, was Besessenheit ausmacht: Man nimmt das Umfeld nur noch eingeschränkt war. Alles, was man sieht läuft durch einen Filter, der in diesem Fall ein bestimmtes Gefühl ist.

Alles, was durch diesen „Angstfilter“ läuft wird auf seine Gefährlichkeit untersucht. Was nicht gefährlich ist, wird nicht weiter beachtet, was allerdings potenziell töten könnte, wird besonders beachtet und die Sicht wird eingeschränkt, sodass alle Kräfte und Gedanken nur noch auf die vermeidliche Gefahr fixiert sind und nichts anderes mehr zählt.
Olhams Vermutung
„Er konnte ihre Hysterie, ihren Wahnsinn überwinden, mit Fakten.“ vi.
ist somit nicht zutreffend, da insbesondere krankhafte Angst logischen Argumenten keinen Platz lässt und sie nicht akzeptiert.

Ebenfalls auffällig ist, dass Olham nicht derjenige ist, der seine Persönlichkeit verliert. Diejenigen, die sich komplett verändern, sind sein Umfeld, was an Nelson deutlich wird, als auch an Mary. Sie glaubt sofort, dass ihr Mann ein Roboter ist und verrät ihn, anstatt sich solange auf seine Seite zu schlagen, bis es einen Beweis dafür gibt, dass Olham nicht derjenige ist, den sie geheiratet hat. Nelson wiederum, wie schon deutlich wurde, ist auch darauf aus, Rache zu üben, obwohl auch er keinen Beweis für die Thesen Peters hat.

Der symptomatische Kontrollverlust ist unterschiedlich festzustellen. Olham verliert die Kontrolle über sein Leben, versucht allerdings diese stets wiederzuerlangen. Somit ist es sehr ironisch, dass, kaum, dass er scheinbar bewiesen hat, dass er ein Mensch ist, feststellen muss, dass dem doch nicht so ist und genau das eintritt, wovor alle Angst hatten außer ihm – die Bombe explodiert.

Sein Umfeld, beispielsweise Nelson, verlieren eher die Möglichkeit aus dem Blick, dass Olham doch ein Mensch sein könnte. Die Tatsache, dass es keinen Beweis dafür oder dagegen gibt, lässt sie darauf schließen, dass man vorsorglich davon ausgehen sollte, dass er eben kein Mensch ist. Von da an dreht sich für Nelson alles darum die Bombe zu entschärfen und insbesondere seinen Freund zu rächen.

Die symptomatische Wiederholung von Mimik, Gestik und bestimmten Phrasen findet sich bedingt. So wird von Peters und Nelson immer gesagt, dass Olham kein Mensch ist und sie ihn deswegen töten werden, während Olham immer betont, dass er eben doch einer ist. Bei Letzterem lässt sich dennoch eine Flexibilität der Gedanken feststellen, was daran auszumachen ist, dass er nicht nur zu ergründen versucht, wie er beweisen kann, dass er ein Mensch ist, als auch, warum Nelson, Peters und seine Frau so kopflos handeln. Da die Geschichte allerdings nur aus seiner Perspektive erzählt wird, lässt sich nicht genau sagen, ob das nicht auch für die anderen Charaktere der Geschichte gilt.

Wiederholungen finden sich bei Nelson und Peters ebenfalls. Während Nelson darauf pocht, Olham sofort zu töten, möchte Peters warten, was durch Wiederholungen der Verben „töten“ und „warten“ deutlich wird, die nicht durch Synonyme ersetzt werden. Zudem redet Nelson in auffallend kurzen und knappen Sätzen, was allerdings auch lediglich ein Charaktermerkmal darstellen kann.

Man könnte auch anführen, dass Olham besessen von dem Gedanken ist, ein Mensch zu sein. Der Zwang, dies beweisen zu müssen bestimmt den Grundton der Geschichte. Olham muss beweisen, dass er ein Mensch ist, weil er darauf programmiert wurde, zu glauben, dass dem so ist, was wiederum ein Kriterium für Besessenheit wäre. Allerdings ist die Fremdsteuerung durch die Außerirdischen unmittelbar und wird somit von Olham nicht wahrgenommen wodurch er diese Fremdsteuerung auch nicht als Belastung empfinden kann.



Quellen:
i. Dick, Philip K., „Hochstapler“, ein unmöglicher Planet, München: Heyne 2002, S. 258
ii. ebd. S. 259
iii. ebd. S. 264
iv. ebd .S. 261
v. Frisch, Max, Biedermann und die Brandstifter, Frankfurt am Main: Edition Suhrkamp 1963, S. 32
vi. , Philip K., „Hochstapler“, ein unmöglicher Planet, München: Heyne 2002, S. 264

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