In Philipp K. Dicks Kurzgeschichte „The Father-Thing“ lassen sich vier wesentliche Themen und Formen der Besessenheit ausmachen:
1. Inkorporation
2. Kontrolle und Inbesitznahme von außen
3. die Begierde, etwas zu vernichten und dadurch die Welt zu retten
4. Angst vor Besessenheit
Im Folgenden wird auf diese Themen näher eingegangen:
ad 1) Inkorporation.
Ted, der Vater des Jungen Charles, verändert sich: wie Charles entdeckt, hat dies nichts mit seiner vielen Arbeit, sondern mit einem seltsamen Geschöpf zu tun, welches sich Teds Körper einverleibt, ihn gefressen hat. Zurück bleibt nur eine transparente Hülle. Diese Inkorporation bringt sozusagen jenes „father-thing“ hervor: ein schier undefinierbares Ding, welches den Anschein erweckt, der wirkliche Vater zu sein. Den Anschein deshalb, da es wahrscheinlich noch nicht lange genug den Körper des Vaters in Besitz genommen hat, um schon vollständig wie er zu denken und zu handeln, zu „funktionieren“.
In „Colony“ wechselt der Geist, der Charakter des „wub“ die Gestalt – er nistet sich im Körper des Captain ein. Jener Körper, dem nun der Geist fehlt, also das „wub“ selbst, wird getötet und mit ihm außerdem der Charakter des Captain. Dieser kann jedoch (wahrscheinlich) durch den Verzehr des toten „wub“, also durch eine erneute Inkorporation, in der Gestalt des Captain „weiterleben“.
Anders verläuft die Inkorporation in „The Father-Thing“: Der Körper wird gefressen und mit ihm auch der Charakter, - hier findet kein Tausch statt. Der Vater hat zwar auch die Gelegenheit, im „father-thing“ gewissermaßen weiterzuleben, aber nicht in seiner menschlichen, sondern in seiner, wenn man so will, larvenartigen Haut.
Ad 2) Kontrolle und Inbesitznahme von außen.
Wie später klar wird, kann das „Ding“ nicht alleine funktionieren. Es benötigt Hilfe von außen, was wiederum eine Art von Inbesitznahme oder Kontrolle des Körpers darstellt. In diesem Fall wird das „father-thing“ von einem Insekt gesteuert. Ohne seine Hilfe sackt das „father-thing“ in sich zusammen, beschrieben, als Charles’ Mutter den Raum verlässt.
Dieses Insekt wird im Originaltext als „bug“ bezeichnet, was man mit „Wanze“ übersetzen kann. Als Wanzen werden bekanntlich kleine Geräte zur unbemerkten Abhörung oder Überwachung von Menschen bezeichnet. Dies impliziert erneut eine Form von Inbesitznahme: nämlich das (unfreiwillige) Teilen bzw. Nehmen von Informationen und Gedanken, das Besitzergreifen eines fremden Körpers und seines Gehirnes. Dabei ist jedoch zu unterscheiden zwischen der unfreiwilligen Kontrolle eines Menschen und jener, die vonnöten ist, damit der Mensch existieren kann – das Prinzip ist allerdings in etwa das gleiche.
Ad 3) Begierde, etwas zu vernichten und dadurch die Welt zu retten.
Charles und seine beiden Freunde sind davon überzeugt, die Ursache für das „father-thing“ finden und vernichten zu müssen. Damit können sie verhindern, dass weitere Larven, die von der Wanze gelegt werden, wachsen und weitere Körper (und deren Geister) in Besitz nehmen können. Die drei handeln also zunächst aus dem puren Verlangen, etwas zu vernichten, was ihnen gefährlich erscheint und schließlich aus Überlebenswillen, als sie begreifen, dass sie selbst eines Tages von den Larven gefressen werden könnten. Man kann dieses Agieren auch darauf zurückführen, dass es unbedingt zu verhindern gilt, dass die Wanze, mithilfe ihrer Larven, die Menschheit vernichtet und ihren Platz, ihre Körper und ihren Lebensraum, einnimmt, sich einverleibt.
Ad 4) Angst vor Besessenheit.
Um die Gedanken zu diesem Thema weiterzuspinnen, könnte man sogar den Angstzustand an sich als eine Art von Besessenheit bezeichnen. Denn Angst ist ein Gefühl, man ist besorgt um das, was passieren wird. Man beschäftigt sich mit seinen Ängsten und wahrscheinlich ruft erst die Auseinandersetzung damit die eigentlichen Angstzustände, die Gefühle, hervor. Das Gehirn eines Menschen ist demnach besessen, vereinnahmt von den Gedanken an etwas, das ihn verängstigt. Folglich wäre also die Angst davor, besessen zu sein / besetzt zu werden (sei es physische oder psychische Besessenheit) schon als Besessenheit zu bezeichnen.
Damit ist wieder das Thema von Punkt 3) erreicht: Aus Angst, besessen zu sein und um sich davor zu schützen, tritt der Drang zur Vernichtung hervor.
Anzumerken ist schließlich das Auftreten eines (etwas abgewandelten) Ödipuskonfliktes bei Charles: Er sieht seinen Vater, bzw. das „father-thing“ als Konkurrenten an und hat den Drang (ist von dem Gedanken besessen), ihn zu vernichten und seine Mutter, als reale Mutter und nicht als „mother-thing“, für sich zu haben.
i. Dick, Philip K., „The Father-Thing“, The Philip K. Dick Reader, US: Citadel Twilight 2005, S. 107.
1. Inkorporation
2. Kontrolle und Inbesitznahme von außen
3. die Begierde, etwas zu vernichten und dadurch die Welt zu retten
4. Angst vor Besessenheit
Im Folgenden wird auf diese Themen näher eingegangen:
ad 1) Inkorporation.
Ted, der Vater des Jungen Charles, verändert sich: wie Charles entdeckt, hat dies nichts mit seiner vielen Arbeit, sondern mit einem seltsamen Geschöpf zu tun, welches sich Teds Körper einverleibt, ihn gefressen hat. Zurück bleibt nur eine transparente Hülle. Diese Inkorporation bringt sozusagen jenes „father-thing“ hervor: ein schier undefinierbares Ding, welches den Anschein erweckt, der wirkliche Vater zu sein. Den Anschein deshalb, da es wahrscheinlich noch nicht lange genug den Körper des Vaters in Besitz genommen hat, um schon vollständig wie er zu denken und zu handeln, zu „funktionieren“.
In „Colony“ wechselt der Geist, der Charakter des „wub“ die Gestalt – er nistet sich im Körper des Captain ein. Jener Körper, dem nun der Geist fehlt, also das „wub“ selbst, wird getötet und mit ihm außerdem der Charakter des Captain. Dieser kann jedoch (wahrscheinlich) durch den Verzehr des toten „wub“, also durch eine erneute Inkorporation, in der Gestalt des Captain „weiterleben“.
Anders verläuft die Inkorporation in „The Father-Thing“: Der Körper wird gefressen und mit ihm auch der Charakter, - hier findet kein Tausch statt. Der Vater hat zwar auch die Gelegenheit, im „father-thing“ gewissermaßen weiterzuleben, aber nicht in seiner menschlichen, sondern in seiner, wenn man so will, larvenartigen Haut.
Ad 2) Kontrolle und Inbesitznahme von außen.
Wie später klar wird, kann das „Ding“ nicht alleine funktionieren. Es benötigt Hilfe von außen, was wiederum eine Art von Inbesitznahme oder Kontrolle des Körpers darstellt. In diesem Fall wird das „father-thing“ von einem Insekt gesteuert. Ohne seine Hilfe sackt das „father-thing“ in sich zusammen, beschrieben, als Charles’ Mutter den Raum verlässt.
Dieses Insekt wird im Originaltext als „bug“ bezeichnet, was man mit „Wanze“ übersetzen kann. Als Wanzen werden bekanntlich kleine Geräte zur unbemerkten Abhörung oder Überwachung von Menschen bezeichnet. Dies impliziert erneut eine Form von Inbesitznahme: nämlich das (unfreiwillige) Teilen bzw. Nehmen von Informationen und Gedanken, das Besitzergreifen eines fremden Körpers und seines Gehirnes. Dabei ist jedoch zu unterscheiden zwischen der unfreiwilligen Kontrolle eines Menschen und jener, die vonnöten ist, damit der Mensch existieren kann – das Prinzip ist allerdings in etwa das gleiche.
Ad 3) Begierde, etwas zu vernichten und dadurch die Welt zu retten.
Charles und seine beiden Freunde sind davon überzeugt, die Ursache für das „father-thing“ finden und vernichten zu müssen. Damit können sie verhindern, dass weitere Larven, die von der Wanze gelegt werden, wachsen und weitere Körper (und deren Geister) in Besitz nehmen können. Die drei handeln also zunächst aus dem puren Verlangen, etwas zu vernichten, was ihnen gefährlich erscheint und schließlich aus Überlebenswillen, als sie begreifen, dass sie selbst eines Tages von den Larven gefressen werden könnten. Man kann dieses Agieren auch darauf zurückführen, dass es unbedingt zu verhindern gilt, dass die Wanze, mithilfe ihrer Larven, die Menschheit vernichtet und ihren Platz, ihre Körper und ihren Lebensraum, einnimmt, sich einverleibt.
Ad 4) Angst vor Besessenheit.
„It seemed impossible, the father-thing and what had happened to his own father, his real father. But terror spurred him on, what if it happened to his mother, or to him? Or to everyone? Maybe the whole world.“ i.So beschreibt Dick die absolut menschliche Angst davor, von etwas besessen zu sein, das weder kontrollierbar noch abzuwehren ist, einen sogar auf grausame Weise das Leben kosten kann.
Um die Gedanken zu diesem Thema weiterzuspinnen, könnte man sogar den Angstzustand an sich als eine Art von Besessenheit bezeichnen. Denn Angst ist ein Gefühl, man ist besorgt um das, was passieren wird. Man beschäftigt sich mit seinen Ängsten und wahrscheinlich ruft erst die Auseinandersetzung damit die eigentlichen Angstzustände, die Gefühle, hervor. Das Gehirn eines Menschen ist demnach besessen, vereinnahmt von den Gedanken an etwas, das ihn verängstigt. Folglich wäre also die Angst davor, besessen zu sein / besetzt zu werden (sei es physische oder psychische Besessenheit) schon als Besessenheit zu bezeichnen.
Damit ist wieder das Thema von Punkt 3) erreicht: Aus Angst, besessen zu sein und um sich davor zu schützen, tritt der Drang zur Vernichtung hervor.
Anzumerken ist schließlich das Auftreten eines (etwas abgewandelten) Ödipuskonfliktes bei Charles: Er sieht seinen Vater, bzw. das „father-thing“ als Konkurrenten an und hat den Drang (ist von dem Gedanken besessen), ihn zu vernichten und seine Mutter, als reale Mutter und nicht als „mother-thing“, für sich zu haben.
i. Dick, Philip K., „The Father-Thing“, The Philip K. Dick Reader, US: Citadel Twilight 2005, S. 107.